Rapper Sido im Interview„Eingeholt vom wirklichen Leben“

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Paul Würdig alias Rapper „Sido"

Paul Würdig alias Rapper „Sido"

Köln – Sido, was sagt Ihre Frau dazu, dass Ihr Bart immer länger wird?

Sido: Die hat damit überhaupt kein Problem. Die kommt ja aus Norwegen, und die Leute da haben den Bart doch erfunden.

Ihre Single „Astronaut“, die Sie zusammen mit Andreas Bourani aufgenommen haben, hat es bis auf Platz 1 geschafft. Wie kam es zur Zusammenarbeit?

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Sido: Wir haben uns vor acht Jahren in einem Studio in der Nähe von München kennengelernt, als er sich neben mir eingemietet hatte. Wir haben da nächtelang herumgehangen und Spaß gehabt. Der Kerl ist ja mittlerweile vielbeschäftigt, und hat es eigentlich nicht mehr nötig, mit irgendeinem Sido Mucke zu machen. Dass wir uns so lange kennen, war sicher ein Faktor, warum er dennoch zugesagt hat.

Paul Würdig alias Sido wurde am 30. November 1980 in Ost-Berlin geboren. Markenzeichen des früheren Skandalrappers war lange Zeit eine silberne Totenkopfmaske. Erste Erfolge hatte er mit der Gruppe Aggro Berlin . (mbo)

Das Lied zeichnet ein sehr kritisches Bild unserer Welt. Kriege, Flüchtlinge, Gier – was stößt Ihnen momentan am meisten auf?

Sido: Zuerst: Songs darüber, wie schön alles ist, gibt es schon zur Genüge. Klar, wir Künstler sind die Tanzbären der Nation, aber wenn wir irgendwann einmal ihr Gehör haben, dann sollten wir das auch nutzen, um auf Probleme aufmerksam zu machen.

Hört dieses Engagement mit Ihren Songs auf, oder werden Sie auch darüber hinaus aktiv?

Sido: Was ich so an Dingen tue, darüber spreche ich nicht in der Öffentlichkeit. Aber ich fordere jeden auf, bei sich zu Hause auszusortieren. Es wird demnächst kalt in Deutschland und wir haben derzeit viele Gäste aus wärmeren Ländern, die sicher keine Winterklamotten dabeihaben.

Riesige LED-Show

Am 14. November 2015 sind Sie im Rahmen Ihrer Tour erstmals in der Kölner Lanxess-Arena zu Gast. Was erwartet die Fans?

Sido: Der Abend wird mit jeder Menge Zeug vollgepackt sein: Wir haben Filme gedreht, die zwischendrin laufen. Und ich werde ohne Band spielen, nur mit zwei DJs. Ziel ist es, eine riesige Hip-Hop-Show auf die Bühne zu bringen. Und es wird sehr, sehr viele LED-Leuchten geben. Die Rapper MoTrip und B-Tight werden als Gäste dabei sein.

Bleibt bei der dazugehörigen Promo-Reise Zeit, Freunde zu treffen, oder beschränkt sich das Leben auf Langeweile im Hotel?

Sido: Also in Köln treffe ich mich abends mit Freunden zum Essen. Ich gehe hier gerne ins Taku im Excelsior Ernst. Das japanische Restaurant ist echt gut. Und fürs Shoppen bleibt auch immer Zeit.

In Köln wurden ja auch Teile Ihres Films „Halbe Brüder“, der Anfang des Jahres im Kino lief, gedreht. Würde es Sie reizen, auch einmal in einem Kölner Tatort mitzuspielen?

Auf jeden Fall. Extra Kölsch lernen wäre aber nicht so mein Ding. Übrigens: Mir wurde gerade vom ZDF eine Rolle bei „Rosamunde Pilcher“ angeboten. Da habe ich dann aber dankend abgelehnt.

Musik passt sich an

Liegt das vielleicht daran, dass Ihr aktuelles Album „VI“ nur noch wenig mit dem Straßenrap von früher gemein hat. Sind wir da Zeuge eines Reifeprozesses?

Sido: So wie ich bin, muss auch meine Musik sein. Nicht ich passe mich an. Am Anfang meiner Karriere war ich 20, hatte nichts. Ich musste schauen, wo ich bleibe. Mein ganzer Horizont war mein Viertel und meine Liebsten. Mittlerweile hat sich dieses Leben zu einem Besseren gewandelt, da ändert sich auch die Art der Musik.

Welchen Einfluss spielt da die Geburt Ihres zweiten Sohnes?

Sido: Ich kann hierzu eine Anekdote vom Moment berichten, als ich davon hörte, dass „Astronaut“ auf Platz 1 ist. Da hatten wir gerade die Party zum zweiten Geburtstag meines Jüngsten. Wir hatten eine Hüpfburg im Garten aufgebaut und die ganze Kita war da. Dann kam die Nachricht von Andreas Bourani: „Hey, du bist auf Platz 1“. Zwischendurch zogen mir immer wieder Kinder am Bein und wollten Aufmerksamkeit. Da habe ich dann das Handy weggepackt und weiter Geburtstagsparty gefeiert. Erst abends im Bett kam mir dann wieder in den Sinn: „Krass! Haste gut gemacht“. Das wirkliche Leben hat mich in diesem Moment eingeholt.

Ist es denn auch das, was Sie sich im Alter von 18 Jahren für jetzt vorgestellt haben?

Sido: Ja, voll und ganz. Und glauben Sie mir: Dieses Leben wollen alle harten Jungs von der Straße. Kein Ärger, nicht mehr jeden Tag schauen müssen, wie man sich und seine Kinder ernährt, und ein schönes Haus, über dessen Garten den ganzen Tag lang die Sonne scheint.

Sido, ein Spießbürger?

Sido: Nennen Sie es von mir aus so. Das höre ich mittlerweile von vielen. Wenn es tatsächlich so sein sollte, wäre es mir auch egal.

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