Behinderung und DatingSimon Hellenthal aus Blankenheim sucht im Internet nach der Liebe

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Simon Hellenthal sitzt in seinem Rollstuhl im Garten.

Wenn man mit einer Behinderung lebt, ist es sehr schwierig eine Partnerin zu finden, sagt Simon Hellenthal aus Freilingen.

Mit einer körperlichen Behinderung gestaltet sich die Partnersuche schwierig. Der Blankenheimer Simon Hellenthal versuchte es über Tinder.

Simon Hellenthal hat sich schon oft verliebt. Doch auf Gegenseitigkeit habe das bisher nie beruht, erzählt der 32-Jährige. „Wenn Frauen meinen Rollstuhl sehen, dann ist für sie meist sofort klar, dass ich als potenzieller Partner nicht infrage komme.“ Er macht eine kurze Pause. „Und das kann ich irgendwie verstehen“, schiebt der Blankenheimer hinterher.

Simon Hellenthal ist an Duchenne Muskeldystrophie erkrankt. Das bedeutet, dass sich seine gesamte Muskulatur im Laufe der Jahre immer weiter zurückbildet. Um aktiv am Leben teilnehmen zu können, ist der 32-Jährige deswegen auf einige Hilfsmittel angewiesen. Wie etwa seinen Rollstuhl oder einen Computer, den er mit den Augen bedienen kann. Was Hellenthals Muskeln heute nicht mehr leisten können, das gleicht die Technik aus.

Simon Hellenthal nimmt aktiv am Dorfleben in Freilingen teil

So verbringt er seine Sonntage auf Dorffesten in Freilingen, geht mit Freunden Burger essen und feuert danach seinen Lieblingsfußballverein an. Er führt als freier Journalist für „Wir in Freilingen“ Interviews mit Politikern und Künstlerinnen, er gewann einen Theaterwettbewerb und schrieb 2010 den Fantasy-Roman „Land der Mächtigen und Unbeugsamen“. In Simon Hellenthals Leben gibt es kaum einen Bereich, an dem er trotz seiner Erbkrankheit nicht doch irgendwie teilhaben kann. Nur wenn es um Liebe und Partnerschaft geht, wird alles komplizierter.

„Das erste Mal verliebt habe ich mich in der Grundschule“, erzählt er. Damals habe eine Klassenkameradin und Freundin im Sportunterricht zu „La Passion“ von Gigi D'Agostino getanzt. Das Bild ging ihm nicht aus dem Kopf. Oft dachte er an sie. Entschied sich schließlich, einen Brief zu schreiben, um der Freundin mitzuteilen, wie toll er sie fand. Doch den Brief gab er nie ab. Er traute sich nicht. „Ich glaube, der lag noch eine Weile in meinem Zimmer. Irgendwann war er verschwunden.“

Auf einem Dorffest in Freilingen posiert Simon Hellenthal im Rollstuhl für ein Foto.

Der Freilinger nimmt ganz aktiv am Dorfleben teil. Er hat viele Freunde, er schreibt Geschichten und bloggt. Doch fühlt sich manchmal trotzdem einsam.

Erst in der Pubertät hat der Freilinger bemerkt, was seine Krankheit bedeutet

„Damals war ich noch ein Kind“, sagt Simon Hellenthal. Und dass seine Krankheit sein Leben damals noch nicht so dominierte, wie sie es später tun würde. Was es konkret bedeutet, wenn die Muskeln schwinden, das sei ihm erst später bewusst geworden: „Mit 12 – als meine Pubertät begann und ich in den Rollstuhl musste.“ In dieser Entwicklungsphase sei es ihm so vorgekommen, als machten all seine Mitschüler stetig große Sprünge. Egal wie sehr er sich bemüht habe, er sei einfach nicht mehr mitgekommen.

Und während seine Mitschüler Mädchen ärgerten, um ihnen spielerisch zu zeigen, wie sehr sie sie mochten, während andere Jugendliche anfingen, sich zu küssen und abends Alkohol zu trinken, wurden Simon Hellenthals Gedanken düster. „Wie soll man damit umgehen, wenn man weiß, dass es einem körperlich immer schlechter geht?“, fragte er sich damals. Und: Kann man von einer potenziellen Partnerin verlangen, mit einer Situation klarzukommen, mit der man selbst ständig hadert?

Was ihn selbst angeht, hat Hellenthal heute eine Lösung gefunden: „Ich versuche mich abzufinden und das Beste aus dem zu machen, was ich habe.“ Was das Bedürfnis nach einer Partnerin angeht, ist er aktuell noch auf der Suche nach Antworten.

Blankenheimer hat sich die Dating-App „Tinder“ installiert

Und weil der Blankenheimer schon in der Grundschule gelernt hat, dass es – wenn man nach der Liebe sucht – nicht reicht, bloß einen heimlichen Brief zu schreiben und zu warten, hat Simon Hellenthal sich im vergangenen Jahr die Dating-App „Tinder“ installiert. Die App schlägt ihren Nutzern Profile von potenziellen Dating-Partnern vor. Wenn Foto und Angaben dem Gegenüber gefallen, dann wischt man nach rechts und signalisiert dem Gegenüber so, dass man Interesse hat, ihn kennenzulernen.

Wenn zwei Menschen einander nach rechts wischen, dann entsteht ein „Match“ und ein Chat-Fenster öffnet sich. Das gefällt Hellenthal am Internet. Dass er dort schreiben kann, statt zu sprechen. Wenn er Texte am Computer mit seinen Augen tippt, dann ist Simon Hellenthal schnell, dann ist er witzig, reflektiert und schlagfertig. Er benutzt viele lachende Smileys und Affen, die sich die Hände vor die Augen halten. „Wenn ich mit den Frauen telefonieren müsste, dann hätte ich Angst, dass sie mich nicht verstehen.“ Zu große Sorge hat der 32-Jährige, dass der Pumpvorgang der Beatmungsapparatur, die ihm das Sprechen ermöglicht, in den Hörer dröhnen würde.

Und noch einen Vorteil verschafft ihm die App: Nicht einmal 1000 Leute leben in Freilingen. Noch weniger davon sind Frauen in seinem Alter. Wenn er in den App-Einstellungen den Such-Radius verändert, dann tauchen dort plötzlich Frauen aus Köln oder Düsseldorf auf. Zwar werde er auch im Internet von Frauen häufig direkt nach links gewischt, wenn sie seinen Rollstuhl sehen, vermutet er aufgrund der verschwindend geringen Anzahl seiner „Matches“, doch in seltenen Fällen komme es zu einem Gespräch.

Auf einem Smartphone-Display sind Dating-Apps abgebildet.

Dating-Apps haben den Vorteil, dass sie den Pool potenzieller Date-Partner erweitern können und das Chatten leichter fällt als Sprechen.

Mit einer jungen Frau aus Düsseldorf hätte es fast geklappt

„Es ist nicht lang her, da habe ich eine Frau aus Düsseldorf kennengelernt“, erzählt Simon stolz. „Wir haben gechattet und geflirtet. Wir hatten ähnliche Interessen und unser ganzes Gespräch war sehr liebevoll.“ Simon macht eine Pause. „Aber vorgestern ist alles böse geendet – in einem großen Streit.“ Es sei um unterschiedliche Vorstellungen gegangen. Er wollte Romantik, sie Freundschaft.

„Und wir waren flirty miteinander, das weiß ich. Aber am Ende hat sie alles geleugnet“, sagt der 32-Jährige. „Wenn so etwas passiert, bin ich danach immer richtig kaputt.“ Und so etwas passiert häufig. Das Kennenlernen scheitere immer auf dieselbe Art, erzählt Hellenthal. „Immer, wenn es um ein echtes Treffen geht, zieht sich die Frau in der letzten Sekunde zurück.“

Und manchmal passiert sogar Schlimmeres. Menschen beschimpften ihn. Weil er sich auf einer Dating-App auf Fotos im Rollstuhl zeige. Immer wenn die Beleidigungen Überhand nehmen, oder wenn eine Frau, mit der er sich so gut verstanden hat, plötzlich den Kontakt abbricht, löscht Hellenthal die App. „Ich brauche dann eine Tinder-Pause.“ Zu frustrierend sei es, immer wieder vor den Kopf gestoßen zu werden.

Simon Hellenthal hat schon viele Tinder-Pausen eingelegt. Er befindet sich auch gerade wieder in einer. „Aber es gibt einfach diesen kleinen Funken Hoffnung in mir, dass ich über das Internet jemanden kennenlernen kann, der mich versteht, mit dem ich vertraut sein und mich austauschen kann.“

Liebe bedeutet für Simon füreinander da zu sein. Das aber langfristig nicht nur virtuell. „Ich wüsste gerne, wie es ist, wenn man ineinander verliebt ist und sich küsst.“ Vielleicht, sagt Simon, werde das nie passieren. Und vielleicht könne er das auch ein bisschen verstehen. Und vielleicht mache ihn das oft unendlich traurig. Aber das halte ihn nicht davon ab, nach der Liebe zu suchen – unermüdlich danach zu suchen.


Simon Hellenthals Dating-Profil

Simon Hellenthal ist 32 Jahre alt und arbeitet als freier Journalist, Autor und Blogger.

Aktivitäten: In seiner Freizeit liebt er es, Ausflüge in die Natur zu machen. Oder einfach unter Leuten zu sein – zum Beispiel auf Dorffesten.

Filme und Serien: Komödien, mag der Blankenheimer gern. Aber auch Dramen, Action-Filme, Romantisches und Historisches. Seine aktuellen Lieblingsserien: The Good Doctor, The Rookie und House of the Dragon.

Musik: Simon Hellenthal hört am liebsten die Musik von Taylor Swift, Coldplay und Ed Sheeran. Wenn er alleine ist, läuft meistens Pop und Dance Musik. Aber er hört eigentlich fast alle Musikrichtungen gern. „Hauptsache es ist kein Schlager“, sagt er und lacht.

Lieblingsgerichte: Simon geht gern Essen. Seine Lieblingsgerichte sind Lasagne und Burger, aber er liebt auch asiatisches Essen jeder Art.

Sport: Fußball begeistert den Blankenheimer schon immer. Die besten Teams sind für ihn der HSV, Dortmund und Liverpool.

Wer Simon kennenlernen möchte, kann sich bei dem 32-Jährigen per E-Mail melden: simon-kennenlernen@gmx.de

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